Die wichtigsten Entscheidungen des BGH zum Thema Filesharing

Filesharing-Rechtsprechung im Wandel der Zeit

Filesharing bezeichnet den Austausch von digitalen Dateien über das Internet. Zahlreiche Programme wie BitTorrent, Gnutella, eDonkey und PopcornTime werden genutzt, um Filme, Musik und Computerspiele im Internet zum Tausch anzubieten. Die Rechtsprechung zu diesen illegalen Tauschangeboten ist komplex. Wir wollen Ihnen gerne einen Überblick verschaffen.

Beginnend im Jahr 2012 hat der Bundesgerichtshof (BGH) fast jedes Jahr seine Rechtsprechung für Tauschangebote urheberrechtlich geschützter Werke im Internet präzisiert.

In den letzten Jahren hat der BGH zahlreiche Urteile zur Haftung von Anschlussinhabern beim illegalen Filesharing erlassen. Diese Entscheidungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsprechung und die Verantwortlichkeit von Internetnutzern in Deutschland. Vor allem wird in diesen Urteilen geklärt, in welchem Umfang der Anschlussinhaber haftet, wenn Dritte, wie Kinder, Ehepartner oder Mitbewohner, seinen Internetanschluss für illegale Downloads nutzen.

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf einige der bedeutendsten Urteile des BGH zum Thema Filesharing. Die hier besprochenen Fälle zeigen, dass der BGH differenziert zwischen der Verantwortung für minderjährige und volljährige Nutzer, sowie zwischen verschiedenen Formen der Vernachlässigung der Sicherungspflichten des Anschlussinhabers. Diese Urteile bieten wichtige Hinweise für Anwälte und betroffene Internetnutzer gleichermaßen.

Wichtige Erkenntnisse aus der Rechtsprechung des BGH zu Tauschbörsen im Überblick

  • Sekundäre Darlegungslast:Der Anschlussinhaber muss darlegen, dass nicht er, sondern Dritte die Rechtsverletzung begangen haben.
  • Elternhaftung: Eltern haften nicht automatisch für das Filesharing ihrer Kinder, wenn sie diese ausreichend belehrt haben.
  • Haftung für volljährige Familienmitglieder: Anschlussinhaber haften nicht ohne konkrete Anhaltspunkte für volljährige Mitbewohner.
  • Beweispflicht: Die Eintragung in Datenbanken und die Dokumentation durch Screenshots können als Beweise dienen.
  • Schadensersatz: Rechteinhaber haben Anspruch auf Schadensersatz für jede zum Download bereitgestellte Datei.

Das sind die wichtigsten Urteile:

BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens

Im „Sommer unseres Lebens“-Urteil legte der BGH die Grundlage für die Haftung von Anschlussinhabern bei unzureichend gesicherten WLAN-Verbindungen. Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses haftet als Störer, wenn Dritte seinen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Werke in Internettauschbörsen einzustellen. Wichtig ist, dass der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast trifft, wenn er behauptet, nicht selbst die Rechtsverletzung begangen zu haben.

BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus

Das „Morpheus“-Urteil beschäftigt sich mit der Haftung von Eltern für das illegale Filesharing ihrer minderjährigen Kinder. Der BGH entschied, dass Eltern ihre Aufsichtspflicht bereits dann genügen, wenn sie ihre Kinder über die Rechtswidrigkeit von Internettauschbörsen belehren und ihnen die Teilnahme daran verbieten. Eine weitergehende Überwachungspflicht besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß vorliegen.

BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12 – BearShare

Im „BearShare“-Urteil stellte der BGH klar, dass Anschlussinhaber nicht für das illegale Filesharing volljähriger Familienangehöriger haften, sofern sie keine konkreten Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Anschlusses haben. Der Anschlussinhaber muss darlegen, ob und welche anderen Personen Zugang zu seinem Anschluss hatten, um seiner sekundären Darlegungslast nachzukommen.

BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I

In diesem Urteil befasste sich der BGH mit der Beweiswürdigung bei Ermittlungsergebnissen bezüglich IP-Adressen. Der Beweis, dass unter einer IP-Adresse Musikdateien öffentlich zugänglich gemacht wurden, kann durch dokumentierte Ermittlungsvorgänge und Zuordnungen durch den Internetprovider geführt werden. Der BGH bestätigte zudem Schadensersatzansprüche von € 200 pro zum Download bereitgestellter Datei.

BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II

Der BGH konkretisierte die Aufsichtspflicht von Eltern im Hinblick auf das Filesharing ihrer minderjährigen Kinder. Eltern genügen ihrer Pflicht bereits durch Belehrung und Verbote, solange keine konkreten Anhaltspunkte für Verstöße vorliegen. Dieses Urteil führte die Grundsätze des „Morpheus“-Urteils fort.

BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III

Das „Tauschbörse III“-Urteil bekräftigte die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers. Pauschale Behauptungen über den Zugriff Dritter auf den Internetanschluss genügen nicht. Der Anschlussinhaber muss konkret darlegen, wer Zugang hatte und als Täter in Betracht kommt.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 272/14 – Die Päpstin

In diesem Urteil ging es um die Wirksamkeit von Abmahnungen und die Erstattung von Abmahnkosten. Der BGH entschied, dass das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Download über eine Tauschbörse keine unerhebliche Rechtsverletzung darstellt und daher die € 100-Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG aF nicht anwendbar ist.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 1/15 – Tannöd

Der BGH legte fest, dass der Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch bei einem Spielfilm mindestens € 10.000 beträgt. Bei besonders erfolgreichen Filmen oder Rechtsverletzungen unmittelbar nach dem Kinostart können auch höhere Beträge angemessen sein. Dies hängt vom wirtschaftlichen Wert des verletzten Urheberrechts ab.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 43/15 – Alan Wake

Dieses Urteil betrifft die Bemessung des Gegenstandswerts bei der Verletzung von Urheberrechten an Computerspielen. Der BGH entschied, dass ein Gegenstandswert von mindestens € 15.000 angemessen ist, wenn ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel kurz nach Veröffentlichung illegal angeboten wird.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 44/15 – Scream 4

Der BGH stellte klar, dass das illegale Angebot eines Spielfilms über eine Tauschbörse einen Unterlassungsanspruch mit einem Gegenstandswert von mindestens € 10.000 begründet. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Rechtsverletzung oder der Popularität des Films.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch

In diesem Urteil konkretisierte der BGH den Umfang der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers. Er muss darlegen, welche Personen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen, und welche Nachforschungen er dazu angestellt hat.

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 154/15 – Afterlife

Der BGH entschied, dass ein Anschlussinhaber nicht verpflichtet ist, die Internetnutzung seines Ehegatten zu dokumentieren oder den Computer des Ehegatten auf Filesharing-Software zu untersuchen. Dies wäre unzumutbar, um eine täterschaftliche Haftung abzuwenden.

BGH, Urteil vom 30. März 2017 – I ZR 19/16 – Loud

In der „Loud“-Entscheidung bekräftigte der BGH die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers. Eltern müssen den Namen ihres Kindes nennen, wenn sie wissen, dass das Kind die Rechtsverletzung begangen hat, andernfalls haften sie selbst als Täter.

BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16 – Ego Shooter-Computerspiel

In diesem Urteil wurde die sekundäre Darlegungslast bei Ehegatten erneut thematisiert. Der BGH entschied, dass der Anschlussinhaber seiner Darlegungslast genügt, wenn er Umstände vorträgt, die die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs nahelegen.

BGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 – I ZR 186/16 – Konferenz der Tiere

Der BGH entschied, dass Nutzer von Tauschbörsen als Mittäter der Urheberrechtsverletzung haften, wenn sie Dateifragmente eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Download anbieten. Auch wenn diese Fragmente allein nicht konsumierbar sind, reicht dies für eine Rechtsverletzung aus.

BGH, Urteil vom 22. März 2018 – I ZR 265/16 – Riptide

In der „Riptide“-Entscheidung ging es um die Erstattung von Abmahnkosten durch den Täter. Der BGH entschied, dass der Täter die Abmahnkosten tragen muss, wenn er die Rechtsverletzung begangen hat und der Rechteinhaber den Anschlussinhaber zunächst abmahnen musste.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 228/19 – Saints Row

Der BGH entschied, dass der Abgemahnte nicht verpflichtet ist, außergerichtlich den Täter einer Urheberrechtsverletzung zu benennen. Dies führte dazu, dass dem Abgemahnten keine Kostennachteile entstehen, wenn er den Täter nicht vorgerichtlich nennt.

BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – I ZB 38/20

Der BGH stellte klar, dass ein „Anlass zur Einreichung der Klage“ nur besteht, wenn die Klage zulässig und begründet war oder zu einem früheren Zeitpunkt hätte sein können. Diese Vorschrift ist nicht auf aussichtslose Klagen anwendbar.

Fazit

  • Was bedeutet „sekundäre Darlegungslast“? Abweichend von der allgemeinen Beweislastregel, dass jeder das beweisen muss, was für ihn günstig ist, muss der Anschlussinhaber darlegen, dass nicht er, sondern Dritte die Rechtsverletzung begangen haben. Er muss konkrete Informationen über den Zugang und die Nutzung seines Anschlusses durch andere Personen liefern.
  • Haften Eltern immer für das illegale Filesharing ihrer Kinder? Nein, Eltern haften nicht automatisch. Sie müssen ihre Kinder über die Rechtswidrigkeit von Filesharing aufklären und ihnen die Teilnahme an Tauschbörsen verbieten. Eine weitergehende Überwachung ist nur bei konkreten Anhaltspunkten erforderlich.
  • Müssen Anschlussinhaber volljährige Mitbewohner überwachen? Nein, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Urheberrechtsverletzung besteht keine Pflicht zur Überwachung oder Belehrung volljähriger Mitbewohner oder Gäste.
  • Welche Beweise sind für die Täterschaft eines Anschlussinhabers zulässig? Dokumentierte Ermittlungsvorgänge, Screenshots und Zuordnungen durch den Internetprovider sind als Beweise zulässig. Diese müssen die Nutzung der IP-Adresse zur Zeit der Rechtsverletzung nachweisen.
de_DEDeutsch
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