Was ist eigentlich Verwechslungsgefahr im Markenrecht?

Die Verwechslungsgefahr im Markenrecht

Die Verwechslungsgefahr im Markenrecht spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung, ob eine jüngere Marke die Rechte einer älteren Marke verletzt. Sie ist ein komplexes Thema mit vielen Facetten, das im Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die verschiedenen Arten der Verwechslungsgefahr und deren Rolle im Eintragungs– und Verletzungsverfahren.

Verwechslungsgefahr Marke Markenrecht

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, wird am Zusammenspiel aus der Ähnlichkeit der Kennzeichen einerseits und der geschützten Waren und Dienstleistungen andererseits ermittelt.

Zeichenähnlichkeit

Zunächst wird geprüft, wie ähnlich sich die gegenüberstehenden Marken oder Unternehmenskennzeichen sind. Dabei gibt es im wesentlichen folgende Ähnlichkeiten:

Schriftbildliche- und bildliche Ähnlichkeit: Diese liegt vor, wenn die Marken oder sonstigen Kennzeicen einander optisch ähnlich sind. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Marken  ähnliche Wörter, Buchstaben, Symbole oder Bilder enthalten. Schriftbildlich ähnlich sind etwa „Rolex“ und „Koiex“.

Klangliche Ähnlichkeit: Sie liegt vor, wenn die Zeichen der Marken einander klanglich ähnlich sind. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Marken identische oder ähnliche Laute enthalten. So sind beispielsweise „Apple“ und „Eppel“ klanglich identisch.

Begriffliche Ähnlichkeit: Diese liegt vor, wenn die Zeichen der Marken einander begrifflich ähnlich sind. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Marken identische oder ähnliche Bedeutungen haben und sich das jüngere Zeichen an das ältere anlehnt. Dies ist etwa bei „Slimfast“ und „Slimquick“ der Fall.

Gedankliche Verbindung: Diese liegt vor, wenn die Zeichen der Marken zwar nicht identisch oder ähnlich sind, aber dennoch gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Wortmarke einerseits ein Bild andererseits beschreibt. So entschied das EuG, dass „Sky“ und „Skype“ sich war weder schriftbildlich noch klanglich ähneln, die Wolken im alten „Skype“-Logo jedoch gedanklich mit „Sky“ (Himmel) in Verbindung gebracht werden.

Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit

Die Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist ein wichtiger Faktor, der neben der Zeichenähnlichkeit die Wahrscheinlichkeit einer Verwechslung der Marken durch die angesprochenen Verkehrskreise beeinflusst.

Die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit erfolgt anhand verschiedener Kriterien, die im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden müssen:

  • Art der Waren oder Dienstleistungen: Zunächst ist die Art der Waren oder Dienstleistungen zu betrachten. Hierbei erfolgt eine Kategorisierung nach Branchen, Produkttypen und Verwendungszwecken. Je näher die Waren oder Dienstleistungen am Markt zueinander stehen, desto größer ist die Produktähnlichkeit.
  • Zielgruppe: Die Zielgruppe, an die sich die Waren oder Dienstleistungen richten, spielt ebenfalls eine Rolle. Sind die Zielgruppen identisch oder überschneiden sich stark, ist das ein Indikator für eine hohe Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit.
  • Vertriebskanäle: Die Vertriebskanäle, über die die Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, können ebenfalls Einfluss auf die Beurteilung haben. Werden die Produkte oder Leistungen in denselben Geschäften oder auf denselben Online-Plattformen angeboten, ist die Produktähnlichkeit tendenziell höher.

Beispiele für Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit

    • Hohe Ähnlichkeit:
      • Lebensmittel: Backwaren und Süßwaren
      • Bekleidung: T-Shirts und Jeans
      • Dienstleistungen: Friseur und Kosmetiker
    • Mittlere Ähnlichkeit:
      • Lebensmittel: Milchprodukte und Fleischwaren
      • Bekleidung: Schuhe und Taschen
      • Dienstleistungen: Bank und Versicherung

Keine Rolle spielt es, ob verschiedene Waren oder Dienstleistungen in gleichen oder verschiedenen Nizzaklassen eingeordnet sind. So sind beispielsweise Taschenlampen zum Tauchen bei „Lampen“ einsortiert und Uhren zum Tauchen bei „Uhren“, obwohl sich beide Waren unmittelbar ergänzen und über die gleichen Vertriebskanäle verkauft werden. Sie weisen daher mindestens eine mittlere Ähnlichkeit auf.

Verwechslungsgefahr: Zusammenspiel von Zeichenähnlichkeit und Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit

Die Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit steht in einem engen Zusammenhang mit der Zeichenähnlichkeit der Marken.

  • Hoher Grad der Zeichenähnlichkeit: Bei visuell oder klanglich sehr ähnlichen Marken kann eine geringere Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
  • Geringer Grad der Zeichenähnlichkeit: Bei geringfügigen visuellen oder klanglichen Ähnlichkeiten kann eine hohe Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit erforderlich sein, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

Beispiele für das Zusammenspiel

  • Fall 1: Die Marken „Milka“ und „Milkafein“ sind einander visuell sehr ähnlich. Die Waren („Schokolade“ und „Instantgetränk auf Schokoladenbasis“) sind ebenfalls ähnlich. Daher besteht, aufgrund der hohen Zeichenähnlichkeit und der Ähnlichkeit der Waren, eine hohe Verwechslungsgefahr.
  • Fall 2: Eine Marke für Waschmittel könnte einer identischen Marke für Computer die Nutzung nicht untersagen, weil zwischen beiden Waren absolute Unähnlichkeit besteht.

Sonderschutz der bekannten Marke

Neben dem allgemeinen Schutz vor Verwechslungsgefahr genießen bekannte Marken im Markenrecht einen erweiterten Schutz.

Um den Sonderschutz zu genießen, muss eine Marke zunächst als bekannt eingestuft werden. Die Bekanntheit einer Marke wird anhand verschiedener Kriterien beurteilt, wie zum Beispiel:

  • Markenmarktanteil: Der relative Marktanteil der Marke in ihrem relevanten Marktsegment.
  • Grad der Bekanntheit: Der Bekanntheitsgrad der Marke beim Publikum, insbesondere bei den Verbrauchern, die die Waren oder Dienstleistungen der Marke kaufen.
  • Dauer der Benutzung: Die Dauer der Benutzung der Marke im Markt.
  • Geografische Reichweite: Die geografische Reichweite der Marke, also in welchen Ländern oder Regionen sie bekannt ist.
  • Investitionen in die Marke: Die Investitionen des Markeninhabers in die Werbung und den Vertrieb der Marke.
  • Prestige und Ansehen der Marke: Das Prestige und Ansehen der Marke bei den Verbrauchern.

Die Bekanntheit muss durch Verkehrsgutachten festgestellt werden. Der Sonderschutz einer bekannten Marke bietet dem Markeninhaber einen umfassenderen Schutz als der allgemeine Schutz vor Verwechslungsgefahr. Dies bedeutet, dass der Inhaber einer bekannten Marke auch gegen Beeinträchtigungen seiner Marke vorgehen kann, die keine Verwechslungsgefahr im Sinne des Markenrechts begründen.

Der Sonderschutz kann gegen verschiedene Arten von Beeinträchtigungen der Marke geltend gemacht werden, insbesondere gegen die Ausnutzung oder Beeinträchtigung des guten Rufs. Unsere Dauergegner BMW, Louis Vuitton und Harley-Davidson wenden beispielsweise regelmäßig ein, dass der gute Ruf durch vereintliche Markenverletzungen ausgenutzt werde.

Konsequenzen bei Vorliegen von Verwechslungsgefahr

Bei Abmahnungen und Verletzungsklagen im Markenrecht ist Verwechslungsgefahr das zentrale Thema. Liegt zwischen der Marke, aus der abgemahnt oder geklagt wird und der jüngeren Marke Verwechslunsgefahr vor, kann der Inhaber der älteren Marke Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten verlangen.

Bei der Registrierung von Marken wird das Vorliegen von Verwechlungsgefahr durch das jeweilige Patent- und Markenamt nicht geprüft. Wenn jedoch der Inhaber einer älteren Marke im Widerspruchsverfahren oder im Nichtigkeitsverfahren Verwechslungsgefahr einwendet, wird die jüngere Marke gelöscht.

Fazit

Die Verwechslungsgefahr im Markenrecht ist ein komplexes Thema mit weitreichenden Folgen. Unternehmen sollten sich daher bei der Entwicklung und Anmeldung von Marken professionell beraten lassen. Ein spezialisierter Anwalt für Markenrecht kann dabei helfen, Verwechslungsgefahren frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Marke optimal zu schützen.

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