Petition: „Superrecht“ der Fotografen aus § 72 UrhG abschaffen

Schafft den Schutz der Lichtbilder, § 72 UrhG, endlich ab!

Das Urheberrecht schützt Werke. Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) sind persönliche geistige Schöpfungen. Das bedeutet – vereinfacht gesagt – dass es ein gewisses Maß an Kreativität (sogenannte „Schöpfungshöhe“) braucht, wenn man ein Urheberrecht für sich beanspruchen will.

Leistungsschutzrechte im Urheberrecht

Leistungsschutzrechte im UrhG spielen eine entscheidende Rolle im Schutz geistigen Eigentums, insbesondere wenn es um die Nutzung und Verwertung von Leistungen geht, die über rein kreative Schöpfungen hinausgehen. Diese Rechte gelten für diejenigen, die ihre Zeit, Energie und Ressourcen in die Schaffung von Werken investieren, die nicht nur auf individueller Kreativität beruhen, sondern auch auf einem gewissen Maß an wirtschaftlichem, organisatorischem oder technischem Einsatz.

Ein Beispiel für Leistungsschutzrechte sind die Schutzrechte für Tonträgerproduzenten. Diese Rechte gewährleisten, dass diejenigen, die in die Produktion von Musikalben investieren, das alleinige Recht haben, ihre Aufnahmen zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Dadurch wird der wirtschaftliche Anreiz für Investitionen in die Musikindustrie geschaffen und die Möglichkeit gegeben, die Kosten für die Produktion wieder einzuspielen.

Kurz: Leistungsschutzrechte schützen nicht Kreativität, sondern Arbeitsleistung.

Das Leistungsschutzrecht für Lichtbilder, § 72 UrhG

Gemäß § 72 UrhG genießen Fotografen einen Schutz für ihre Lichtbilder, der dem Urheberrecht ähnlich ist. Das bedeutet, dass der Fotograf als Inhaber des Leistungsschutzrechts das ausschließliche Recht hat, über die Verwendung seines Lichtbildes zu entscheiden. Dazu gehören insbesondere das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung.

Das Leistungsschutzrecht für Lichtbilder greift unabhängig davon, ob das Lichtbild eine persönliche Schöpfungshöhe erreicht, die für das klassische Urheberrecht erforderlich ist. Es schützt die Investitionen des Fotografen in Ausrüstung, Lichtverhältnisse, Inszenierung und weitere technische Aspekte, die zur Erstellung eines qualitativ hochwertigen Fotos beitragen.

Lichtbildschutz Urheberrechtsgesetz
Was immer er fotografiert: das Urheberrecht schützt sein Foto

So viel zur Theorie. In der Praxis bedeutet das, dass jedes Foto, egal wie schlecht und lieblos es gemacht wurde, durch das UrhG geschützt ist. Wann immer Sie also Ihr Smartphone zücken und losknipsen, erwerben Sie ein Leistungsschutzrecht, welches Sie mit hundertprozentiger Sicherheit gerichtlich durchsetzen können.

Das Leistungsschutzrecht für Lichtbilder ist ein Dinosaurier

Das UrhG in der heutigen Form trat 1966 in Kraft. Die Überlegungen zum Inhalt des Gesetzes stammen also aus den Fünfzigern und Sechzigern des letzten Jahrhunderts. Die Älteren unter Ihnen werden sich erinnern: im Kühlschrank lagerten Filme in kleinen Döschen, jeder Verschuss kostete ein halbes Vermögen, auf diese Filme passten nur wenige Hände voll Bilder, das gewünschte Objekt musste händisch liebevoll anvisiert werden und die selbstgewählte Blendenöffnung passte dann hoffentlich zur ebenfalls frei gewählten Belichtungsdauer. Gewissermaßen war es schon Kunst, überhaupt ein ordentliches, scharfes Bild anzufertigen.

Jeder kann heute gute Fotos machen

Der Schreiber dieser Zeilen, Rechtsanwalt Robert Meyen, ist selbst ambitionierter Hobbyfotograf. Und natürlich weiß ich, dass es ein gutes Auge und ein wenig technische Finesse braucht, um gute Bilder zu machen. Erst Recht weiß ich, dass es jahrelange Erfahrung braucht, um herausragende Bilder zu machen. Aber darum geht es hier nicht.

Jede Kompaktkamera und jedes Smartphone verfügt selbstverständlich über einen Autofokus und berechnet Brennweite, ISO-Wert und Belichtung automatisch. Das können selbst Kinderkameras, die es bei bekannten Onlinehändlern heutzutage schon ab etwa 30 € zu kaufen gibt.

Gute Kompaktkameras und Oberklasse-Smartphones gehen weit darüber hinaus, erstellen gleich zehn Bilder auf einmal und berechnen mittels künstlicher Intelligenz eine perfekte Mischung daraus und korrigieren gleich noch alle Parameter, damit selbst in schwierigen Lichtverhältnissen gute Ergebnisse entstehen.

§ 72 UrhG ist das Superrecht der Nichtskönner und Querulanten

Überall ist die Rede von bösen Abmahnanwälten. Der Gesetzgeber hat im UrhG Regelungen eingeführt, die den Kreativen bremsen und den Urheberrechtsverletzer begünstigen. Auch im UWG fühlte sich die Bundesregierung genötigt, den „Abmahnanwälten“ einen Riegel vorzuschieben und hat für die allermeisten Verstöße im Internet die Kostenerstattung für den Abmahner ausgeschlossen. Das hat zwar ein, zwei Kanzleien und Interessensverbände ausgebremst, aber ein echtes, volkswirtschaftlich relevantes Problem gab es auch vorher nicht. Im Gegenzug haben die Nepper, Schlepper und Bauernfänger jetzt mehr denn je freie Bahn. Das Gesetz, das den „kleinen Mann“ schützen sollte, setzt ihn heute noch größeren Gefahren aus.

Aber § 72 UrhG hat all diese Debatten, Bemühungen und Gesetzesreformen überlebt. Dabei ist es nichts Anderes als das Superrecht derjenigen, die gerne anderen Schaden, die Ärger machen, die aus Nichts Kohle schinden wollen.

Im Jahr 2018 hat sich der Bundesgerichtshof mit einem wirklich schlechten Foto von einem Sportwagen auseinandersetzen dürfen. Wie schlecht, erklärt der BGH selbst:

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich aus der dem Berufungsgericht vorgelegten und von ihm gewürdigten Abbildung des Fotos zahlreiche Elemente ergeben, die gegen eine professionelle Gestaltung sprechen. Dies sind der abgeschnitten und störend in das Bild links hereinragende Einkaufswagen, der darüber befindliche abgeschnittene gelbe Rahmen mit dem ebenfalls abgeschnittenen Buchstaben „e“ in offenbar orangener Farbe, der von dem Motiv des Sportwagens am rechten Bildrand wegweisende Pfeil, das über der Windschutzscheibe unmotiviert angebrachte grüne Notausgangsschild, die blauen Elemente in dem im Hintergrund des Fahrzeugs zu erkennenden Schaufenster sowie der etwa ein Fünftel bis ein Viertel des gesamten Bildes einnehmende Vordergrund aus Straßenasphalt mit einem weißen Richtungspfeil.

Im weiteren Verlauf des Urteils kann man die Verachtung der Bundesrichter hinsichtlich § 72 UrhG richtig spüren, aber eben auch das Bedauern, an geltende Gesetze gebunden zu sein.

Berühmter Profiteur von § 72 UrhG: Folkert Knieper von marions-kochbuch.de

Ein gewisser Dipl. Ing. Folkert Knieper betreibt mit seiner Frau Marion die Rezeptseite marions-kochbuch.de. Seine Frau Marion kocht und schreibt Rezepte, während Folkert Knieper das frisch gekochte Mahl schnell abknipst.

Dabei ist Lebensmittelfotografie kein leichtes Unterfangen: Eine Mahlzeit verliert schnell nach dem Kochen ihren Glanz und fällt in sich zusammen. Foodfotografen arbeiten daher gerne mit Haarspray, um das Essen zu konservieren und ihm Glanz zu verleihen. Dazu muss das Licht stimmen, wenn man ein wirklich gutes Essensbild zaubern will.

Dipl. Ing. Folkert Knieper macht all das nicht. Er knipst einfach nur. 

Das reicht ihm allerdings aus, um mindestens seit Mitte der Nullerjahre tausende Abmahnungen zu versenden. Erst jüngst erreichte uns eine davon: ein Barbesitzer hatte drei Gerichte fingernagelgroß auf einem Flyer abgebildet. Rechtsanwalt Mirco Lehr von CYFIRE Rechtsanwälte möchte nicht weniger als 5.600 € dafür haben.

Stand heute dürfte die Familie Knieper mit ihrem Kochbuch mehrere Millionen verdient haben. Und das, obwohl Folkert Knieper mit seiner Fotografie auf ehrlichem Wege absehbar niemals beauftragt würde.

Für gute Fotos mahnen wir gerne ab!

Als Kanzlei des gewerblichen Rechtsschutzes verdienen wir unser Geld mit Abmahnungen. Und wir halten es für absolut richtig, dass „richtige“ Fotografen sich ihrer Werke nicht einfach berauben lassen müssen. Wie in der Juristerei steckt in einem guten Foto eine Menge Wissen, Vorbereitung, technisches Verständnis, ein gutes Auge. Die unbefugte Nutzung dieser Bilder ist „Diebstahl“ und diese Fotografen verdienen Schutz. Für diese Fotografen sind wir gerne da.

§ 72 UrhG muss weg!

Heute ist es überhaupt keine Arbeit mehr, ein Foto zu machen. Es ist keine Leistung. Und wo keine Leistung ist, da bedarf es auch keines Leistungsschutzes.

… oder jedenfalls eingeschränkt werden.

Zugegeben, die Forderung nach einer Abschaffung ist provokant. Sie hat auch einen entscheidenden Haken: Unter den vielen Fotografen da draußen gibt es zahlreiche, deren Leistungsergebnisse herausgaben sind, aber eben nicht außergewöhnlich kreativ. Hierzu gehört allen voran die Produktfotografie. Hier ist das Ergebnis keine „persönliche geistige Schöpfung“. Und doch ist es das Ergebnis stundenlanger Suche nach dem richtigen Setting, die richtige Auswahl der Ausstattung, ein feines Spiel der Ausleuchtung und vieles mehr. Möchte man diese Fotografen nicht schutzlos stellen, so braucht es eben doch ein Leistungsschutzrecht. Dann bedarf es eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der den Aufwand darstellt, der in eine Fotografie investiert wurde. Diesen Rechtsbegriff müssten die Gerichte dann mit Leben füllen.

de_DEDeutsch
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