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Sequestration im Markenrecht: Ablauf, Kosten & Vorteile der einstweiligen Verfügung

Sequestration, Beschlagnahme, SIcherstellung und einstweilige Verfügung im Markenrecht

Bei akuten Markenrechtsverletzungen zählt jede Stunde. Gefälschte Produkte überfluten den Markt, Beweismittel drohen zu verschwinden und der wirtschaftliche Schaden wächst. Wer hier zögert, verliert wertvolle Zeit und strategische Vorteile. Für Markeninhaber gibt es jedoch ein extrem wirksames Instrument für den gerichtlichen Eilrechtsschutz: die einstweilige Verfügung in Kombination mit einer Sequestration.

Erst letzte Woche haben wir über 5.000 Paar Schuhe für einen Mandanten sicherstellen lassen, die nun sicher verschlossen in einem amtlichen Lager warten und vermutlich das Wintergeschäft verpassen.

Dieser Artikel erklärt, warum diese Maßnahme so schlagkräftig ist, wie der genaue Ablauf aussieht und welche rechtlichen Hürden zu nehmen sind.

Was ist eine Sequestration im Markenrecht?

Die Sequestration (lateinisch für „Verwahrung“) ist die gerichtliche Sicherstellung von rechtsverletzenden Waren und zugehörigen Beweismitteln. Ein Gerichtsvollzieher stellt die betreffenden Produkte physisch sicher, sodass der Verletzer sie weder verkaufen, verstecken noch vernichten kann.

Im Gegensatz zur Beschlagnahme, die meist im strafrechtlichen Kontext durch Behörden (Polizei, Zoll) erfolgt, ist die Sequestration eine rein zivilrechtliche Maßnahme. Sie wird direkt vom Markeninhaber im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Verfügung beantragt.

Die rechtliche Grundlage: Das Recht auf Sicherstellung und spätere Vernichtung rechtsverletzender Produkte ergibt sich materiell-rechtlich oft aus dem Marken- oder Designrecht (z.B. § 18 MarkenG). Die prozessuale Durchführung als Eilmaßnahme stützt sich auf die Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere die §§ 935 ff. ZPO (Einstweilige Verfügung) und § 938 Abs. 2 ZPO (Sequestration als spezifische Anordnung).

Der entscheidende Vorteil: Der Überraschungseffekt (Keine Abmahnung)

Normalerweise geht einer rechtlichen Auseinandersetzung eine Abmahnung im Markenrecht voraus. Bei der Sequestration ist das anders und genau das macht sie so effektiv: Sie wird ohne vorherige Abmahnung beantragt.

Der Grund ist die Dringlichkeit und die Gefahr der Beweismittelvernichtung (Verdunkelungsgefahr). Würde der Verletzer vorgewarnt, könnte er die Ware sofort beiseiteschaffen. Daher kann das Gericht die einstweilige Verfügung inklusive der Sequestrationsanordnung inaudita altera parte – also ohne Anhörung der Gegenseite – erlassen.

Der Gerichtsvollzieher steht dann völlig unangekündigt vor der Tür des Verletzers.

Typische Anwendungsfälle: Wann ist Sequestration sinnvoll?

Die Sequestration ist nicht für jede kleine Markenverletzung geeignet, sondern für akute und schwerwiegende Fälle. Typische Szenarien sind:

  • Messeauftritte: Ein Konkurrent stellt auf einer wichtigen Branchenmesse dreiste Plagiate aus. Die Sequestration kann den Messestand lahmlegen und die Exponate sichern.
  • Fund von Fälschungen: Ein Markeninhaber entdeckt ein Lager oder ein Ladengeschäft, das voll mit gefälschter Ware (Produktpiraterie) ist.
  • Saisonale Ware: Wenn rechtsverletzende Produkte (z.B. Mode, Weihnachtsartikel) nur eine kurze Verkaufsspanne haben, verhindert die Sequestration den Hauptumsatz des Verletzers.
  • Fliegende Händler: Bei Verletzern ohne festen Geschäftssitz oder mit unklaren Strukturen dient die Sequestration der sofortigen Sicherung der greifbaren Ware

Der Ablauf: In 5 Schritten zur Sicherstellung

Wie funktioniert die Sequestration in der Praxis? Der Prozess ist auf maximale Geschwindigkeit ausgelegt.

1. Glaubhaftmachung (Der wichtigste Schritt) Der Markeninhaber kann im Eilverfahren keine langwierige Beweisaufnahme führen. Er muss seine Ansprüche „glaubhaft machen“. Das bedeutet, er muss dem Gericht (meist durch eidesstattliche Versicherungen, Testkäufe, Fotos oder Sachverständigengutachten) überwiegend wahrscheinlich darlegen:

  • Dass er Inhaber der Marke ist.
  • Dass eine klare Rechtsverletzung vorliegt.
  • Dass die Sache eilig ist (Dringlichkeit).
  • Dass die Gefahr besteht, dass die Ware ohne Sicherstellung verschwindet.

2. Antragstellung bei Gericht Der Anwalt des Markeninhabers reicht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (mit Sequestrationsanordnung) beim zuständigen Landgericht (meist am Sitz des Verletzers oder am Ort der Verletzung) ein.

3. Gerichtliche Prüfung und Beschluss Das Gericht prüft den Antrag sofort, oft innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Sieht das Gericht die Voraussetzungen als glaubhaft gemacht an, erlässt es den Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne den Gegner zu informieren.

4. Vollziehung durch den Gerichtsvollzieher Der Markeninhaber beauftragt mit dem Gerichtsbeschluss sofort einen Gerichtsvollzieher. Dieser fährt (oft in Begleitung des Anwalts des Markeninhabers und ggf. der Polizei als Vollzugshilfe) zum Verletzer und nimmt die im Beschluss bezeichnete Ware in Verwahrung (z.B. Einlagerung in einer Spedition).

5. Widerspruch des Gegners (Optional) Der Antragsgegner (Verletzer) erfährt erst durch den Gerichtsvollzieher von dem Verfahren. Er kann gegen den Beschluss Widerspruch einlegen. Dann kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, in der die Maßnahme überprüft wird. Die Ware bleibt jedoch (mindestens) bis dahin sichergestellt.

Risiken und Haftung: Der „Bumerang“ § 945 ZPO

Trotz ihrer Effektivität ist die Sequestration ein scharfes Schwert und birgt Risiken. Stellt sich nachträglich (z.B. im Widerspruchsverfahren oder im Hauptsacheverfahren) heraus, dass der Antrag von Anfang an ungerechtfertigt war, haftet der Antragsteller für den gesamten Schaden, der dem Gegner durch die Vollziehung entstanden ist (§ 945 ZPO).

Dazu zählen z.B. Umsatzausfälle, Lagerkosten oder Reputationsschäden. Eine sorgfältige Beweissicherung im Vorfeld und eine realistische Einschätzung der Rechtslage sind daher unerlässlich.

Abgrenzung: Sequestration vs. Beschlagnahme vs. Grenzbeschlagnahme

Die Begriffe werden oft verwechselt, bezeichnen aber unterschiedliche Verfahren:

  • Sequestration (Zivilrecht): Die hier beschriebene gerichtliche Verwahrung im Eilverfahren, beantragt vom Markeninhaber.
  • Beschlagnahme (Strafrecht): Die Sicherstellung von Gegenständen durch die Staatsanwaltschaft oder Polizei im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (z.B. wegen gewerbsmäßigen Betrugs oder Markenpiraterie).
  • Grenzbeschlagnahme (Zollrecht): Ein separates Verfahren, bei dem der Zoll Waren an der EU-Außengrenze (z.B. im Hafen oder am Flughafen) festsetzt. Dies muss der Markeninhaber aktiv beim Zoll beantragen (Unionsweite Verordnung (EU) Nr. 608/2013). Dies ist ein präventives Instrument, während die Sequestration greift, wenn die Ware schon im Inland ist.

Fazit: Maximaler Druck bei minimaler Vorwarnzeit

Die einstweilige Verfügung mit Sequestration ist das wirkungsvollste Instrument für den sofortigen Schutz von Markenrechten im Inland. Sie kombiniert den Überraschungseffekt mit handfesten Konsequenzen für den Verletzer. Durch die schnelle Sicherung von Beweisen und die Unterbindung des weiteren Verkaufs schafft sie eine exzellente Verhandlungsposition.

Für Markeninhaber ist sie ein unverzichtbarer Hebel, um akute Rechtsverletzungen schnell zu stoppen und eine faire und zügige Einigung zu erzielen.

FAQ zur Sequestration im Markenrecht

Was ist eine Sequestration im Markenrecht? Die Sequestration ist die gerichtlich angeordnete Sicherstellung (Verwahrung) von markenverletzenden Produkten durch einen Gerichtsvollzieher. Sie dient der Beweissicherung und verhindert den weiteren Verkauf.

Warum ist bei einer Sequestration keine Abmahnung nötig? Um den Überraschungseffekt zu wahren und eine „Verdunkelungsgefahr“ zu vermeiden. Würde der Verletzer vorgewarnt, könnte er die Ware vernichten oder beiseiteschaffen, bevor der Gerichtsvollzieher eintrifft.

Was muss ich tun, um eine Sequestration zu beantragen? Sie müssen bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen und Ihre Ansprüche „glaubhaft machen“. Das erfordert meist Testkäufe, Fotos und eidesstattliche Versicherungen, die eine klare Rechtsverletzung und die Dringlichkeit belegen.

Wie schnell geht eine Sequestration? Sehr schnell. Nach Antragstellung kann ein Gericht den Beschluss oft binnen 24 bis 48 Stunden erlassen. Die Vollziehung durch den Gerichtsvollzieher erfolgt dann unmittelbar.

Was ist der Unterschied zwischen Sequestration und Grenzbeschlagnahme? Die Sequestration (Zivilrecht) stoppt Ware, die sich innerhalb Deutschlands im Handel befindet (z.B. im Lager, im Laden, auf einer Messe). Die Grenzbeschlagnahme (Zollrecht) stoppt gefälschte Ware an der EU-Außengrenze (z.B. im Hafen), bevor sie überhaupt in den freien Verkehr gelangt.

Welche Risiken hat eine Sequestration? Wenn der Antrag von Anfang an ungerechtfertigt war (z.B. weil gar keine Rechtsverletzung vorlag), haftet der Antragsteller nach § 945 ZPO für den vollen Schaden, der dem Gegner durch die Sicherstellung entstanden ist.

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