Eine Inbusstraße für Neuss? Markenrechtsposse im Kulturausschuss?

Markenrecht verhindert Inbusstraße in Neuss? Ääääh, nein!

Im Kulturausschuss der Stadt Neuss wurde heiß diskutiert, wie die Straßen auf dem ehemaligen Werksgelände von Bauer und Schaurte auf der südlichen Furth heißen sollen.

Bauer und Schaurte war eines der größten und bekanntesten Unternehmen der Neusser Geschichte. Das wohl wichtigste Produkt war der Innensechskant (von) Bauer und Schaurte, den die meisten wohl unter dem Akronym "Inbus" kennen. Vermutlich ist der Inbus das bekannteste Produkt das jemals aus Neuss kam – auch wenn Leuchtenberg Sauerkraut und Novesia Schokolade auf lange Sicht vielleicht sinnvollere Produkte waren.

Da ist es nachvollziehbar, dass einige Lokalpolitiker den Namen "Inbusstraße" für eine der Straßen in dem neuen Wohngebiet favorisieren. Von Seiten der Verwaltung jedoch werden offenbar die (anonyme und austauschbare) "Werksstraße" oder die "Dreherei" favorisiert.

Warum wir darüber schreiben? Weil (laut Verwaltung) angeblich Markenrechte der "Inbus IP GmbH" am "Inbus" dagegen sprechen. Das sei auch bereits (ablehnend) geprüft worden…

EDIT: Laut Aussagen der Verwaltung ist dies unrichtig. Man habe lediglich erwähnt, dass auch der Markeninhaber gefragt werden sollte.

Wer prüft sowas? Und wer, der Ahnung davon hat, lehnt sowas ab?

Markenrechte am Inbus

Tatsächlich hält die Inbus IP GmbH die Rechte an der Marke "Inbus" aus dem Jahr 1935, die für "Kleineisenwaren, insbesondere Schrauben und Muttern" eingetragen ist.

Und doch scheint das Argument der Markenrechtsverletzung als Scheinargument. Jedenfalls verhinderte dieses Argument in Neuss weder die Daimlerstraße noch die Benzstraße, nicht die Porschestraße oder die Boschstraße, und auch die Bolssiedlung hat einen bekannten Namensgeber.

Verletzt ein Straßenname eine Marke?

Auch in anderen Städten haben "Markenstraßen" Konjunktur. Und das aus gutem Grund: Eine Straße kann eine Marke nicht verletzen. Jedenfalls dann nicht, wenn es eine öffentliche, städtische Straße ist.

§ 14 Abs. 2 MarkenG:

Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,
2.
ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder
3.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Zunächst einmal müsste die Stadt bei der Benennung einer Straße geschäftlich handeln. Es muss eine nach Außen hervortretende Handlung zur Förderung des eigenen oder eines fremden Absatzes sein. Der hoheitliche Akt "Straßenbenennung" erfüllt dieses Kriterium nicht, wenn man davon ausgeht, dass sich in dem Wohngebiet nicht Heerscharen von Schraubenproduzenten und -händlern ansiedeln sollen.

Dann muss die Nutzung des Zeichens "markenmäßig" sein, also der Benennung eines Produkts dienen, die das Produkt von Produkten anderer Unternehmen unterscheidbar macht. Auch das ist hier nicht der Fall. Da hilft dann auch der Sonderschutz der bekannten Marke (Nr. 3) nicht, weil selbst dort ein Produktbezug gefordert wird, auch wenn es sich durchaus um unähnliche Produkte handeln kann.

Der EuGH hat die markenmäßige Benutzung zuletzt über Gebühr ausgedehnt und damit ursprünglich erlaubte Markennennungen inkriminiert. Er stellt nämlich nicht nur die Herkunftsfunktion der Marke in den Vordergrund, sondern auch die Werbefunktion und die Investitionsschutzfunktion. Und über die genannten Funktionen ist es deutlich leichter, eine Markenverletzung zu bejahen, selbst wenn ein Zeichen gar nicht produktbezogen genutzt wird.

Aber selbst die genannten "zusätzlichen" Funktionen der Marke werden nicht tangiert; unter keinem denkbaren Umstand wird der Wert der Marke durch die Straßenbenennung auch nur tangiert. Selbst die Annahme einer wirtschaftlichen Verbindung der Inbus IP GmbH zur Inbusstraße in Neuss ist fernliegend.

OLG Hamburg packt den Tiger in den Tank – und aus der Hamburger Bürgerschaft

In den späten 90er Jahren erfand das OLG Hamburg so etwas wie einen supramarkenmäßigen Notstand und "rettete" eine bekannte Tankstellenkette vor der Ausbeutung eines Slogans durch einen Lokalpolitiker, der den "Tiger in die Bürgerschaft" packen wollte.

Der Tankstellenslogan sei nämlich so bekannt, dass er zur Ausstattung des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" – geschützt durch § 823 ABs. 1 BGB – gehöre und deshalb nicht durch einen Lokalpolitiker entwertet werden dürfe.

Das Hanseatische OLG führte dabei jedoch auch eine Interessenabwägung durch und lies aufmerksame Leser erahnen, dass ein Politiker einer nationalistischen Partei vielleicht imageschädigender ist als der einer Volkspartei.

Eine solche Interessensabwägung würde in Neuss jedoch auch himmelweit zugunsten der Stadt ausfallen. Die Eingriffsintensität schwankt irgendwo um Null, während der historische Wert der Marke für die Stadt gravierend ist.

Her mit der Inbusstraße!

Es spricht also rechtlich rein gar nichts gegen eine Inbusstraße.

EDIT: An dieser Stelle standen ein paar angriffslustige Zeilen, für die wir den/die Betroffenen um Entschuldigung bitten.

Der Verfasser dieser Zeilen saß mit seiner Kanzlei übrigens in Blickweite, wie nachstehenden Bild zeigt:

Markenrecht Inbusstrasse
Blick aus den Kanzleiräumen auf das alte Bauer & Schaurte Gelände
Übrigens: aktuell sind einige Abmahnungen der INBUS IP unterwegs.
de_DEDeutsch
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